Manuela Ripa im Einsatz für Ökologie und Frieden
Interview mit der ÖDP-Europaabgeordneten aus dem Saarland
Die EU-Abgeordnete der ÖDP, Manuela Ripa, hat bisher schwerpunktmäßig für ökologische Themen und für besseren Verbraucher- und Tierschutz gekämpft. Im Interview mit Peter Knoll zieht sie Bilanz, äußert sich zu schwierigen Themen wie der Friedenssicherung und nennt ihre Ziele für die nächste Legislaturperiode.
Frau Ripa, als Nachfolgerin des Physikers Klaus Buchner sind Sie seit 2020 die einzige EU-Abgeordnete der ÖDP. Was haben Sie in dieser Zeit im EU-Parlament schwerpunktmäßig gemacht?
Manuela Ripa (MR): Ich bin Im Europäischen Parlament Mitglied im wichtigen Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für internationalen Handel sowie im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Außerdem bin ich Vizepräsidentin der Tierschutzgruppe im Europäischen Parlament. Dadurch, dass ich gut in meine Fraktion eingebunden bin, konnte ich in den letzten Jahren viele ÖDP-Positionen in die EU-Debatte und in Gesetze einbringen.
Mein politisches Engagement war und ist von vier Schwerpunktthemen geprägt, für die ich mich intensiv im Europäischen Parlament einsetzen konnte – nämlich:
- dem Schutz der Biodiversität,
- unserer Artenvielfalt und damit dem Schutz unserer natürlichen Ressourcen,
- unserer Lebensgrundlage wie gesunden Böden sowie
- sauberes und ausreichendes Trinkwasser.
Außerdem dem Tierschutz. Als Vizepräsidentin der Tierschutzgruppe im Europäischen Parlament, setzte ich mich insbesondere gegen Intensivtierhaltung ein und dass Tierschutz in Gesetze einfließt.
Darüber hinaus setze ich mich im Bereich Verbraucher- und Gesundheitsschutz besonders für den Schutz vor giftigen Chemikalien ein, aber auch für gesunde Ernährung und dafür, dass Verbraucher informierte Kaufentscheidung treffen können.
Schließlich setze ich mich auch für den Klimaschutz ein, für die Transformation der Industrie hin zu einer CO2-freien Produktionsweise.
Was sind Ihre wichtigsten drei, vier Erfolge?
MR: Zurzeit bin ich für das gesamte Parlament zuständig für Wasch- und Reinigungsmittel (Detergenzien), also Berichterstatterin – man sagt auch Chefverhandlerin – für die Detergenzienverordnung. Das Schöne ist, dass mir dieses Gesetz erlaubt, meine vier Schwerpunktthemen komplett in das Gesetz einfließen zu lassen.
Es ist mir gelungen, mit überwältigender Mehrheit im Plenum, als Parlamentsposition festzulegen, dass das Gesetz umwelt- und gesundheitsfreundlicher, verbraucherschutzfreundlicher und auch tierschutzfreundlicher ist:
- Erreichen konnte ich mehr Umweltschutz und Schutz unserer Ökosysteme und der aquatischen Umwelt durch bessere biologisch Abbaubarkeit. Detergenzien dürfen keine schwer abbaubaren Stoffe mehr enthalten, die in der Umwelt verbleiben und dort unter anderem auch Trinkwasserressourcen kontaminieren. Zudem wurde der Phosphat- und Gesamtphosphorwert in Detergenzien reduziert, letzteres erstmals auch in industriellen Produkten.
- Dem Verbraucherschutz dienen lesbare und verständliche Informationen direkt auf den Produkten: Sie müssen auch allergene Stoffe nennen sowie eine sichtbare Mindestangabe auf den Deckeln enthalten, um Überdosierung zu vermeiden.
- Zugunsten des Tierschutzes geht der Bericht mit der Zeit und verbietet Tierversuche. Stattdessen sind alternative Testmethoden zu nutzen.
Außerdem habe ich als zuständige Schattenberichterstatterin meiner Fraktion an einem neuen Klimaschutzinstrument mitgearbeitet, der CO2-Grenzausgleichssteuer. Mit dem neuen Mechanismus soll erreicht werden, dass global CO2-Emissionen gesenkt werden – indem importierte Produkte aus Drittstaaten, also etwa aus Indien oder China, den gleichen CO2-Preis zahlen wie Produkte, die in Europa hergestellt wurden. Dadurch werden europäische Unternehmen nicht der Billigkonkurrenz aus dem Ausland ausgesetzt. Dies ist ein Riesenschritt hin zu einem ökologischen Welthandel.
Schließlich habe ich als Schattenberichterstatterin an einer Resolution zum Schutz des Bodens mitgearbeitet, mit den Schwerpunkten auf nachhaltige Bodenbewirtschaftung, weniger Flächenversieglung und vorrangiger Inanspruchnahme von Industriebrachflächen statt Grünflächen sowie Verbesserung der Bürgerbeteiligung und -konsultation, wenn es um Bodenverbrauch geht. Jetzt arbeite ich an einem Bodengesetz mit diesen Schwerpunkten, um die Böden in Europa bis spätestens 2050 wieder in einen guten Zustand zu versetzen.
Die Verhandlungen mit Rat und Kommission zur Detergenzienverordnung und zum Bodengesetz finden erst mit dem neu gewählten Parlament statt. Und diese Verhandlungen würde ich gerne für alle ökologisch orientierten Menschen in Europa führen.
Auch habe ich bis vor kurzem an den sogenannten Frühstücksrichtlinien gearbeitet, in denen es darum geht, den Verbraucherschutz und die Förderung von regionalen Produkten zu stärken. Konkret ging es darum, Honig vor Fälschungen zu schützen und den Fruchtgehalt von Marmeladen zu erhöhen. Insbesondere konnte ich mich also einsetzen für klare Angabe der Ursprungsländer des Honigs auf den Etiketten – das stärkt auch die Regionalität eines Produkts. Außerdem dafür, dass unsere Imker(innen) und auch die Verbraucher(innen) durch stärkere Importkontrollen geschützt werden sowie dafür, dass es China und anderen Drittstaaten nicht mehr möglich sein wird, gepanschte Billigprodukte mit Zuckersirup als Honig zu deklarieren.
Im Laufe meines Mandats kam noch ein Thema hinzu, das für uns als Partei überlebenswichtig ist: Die Prozenthürde bei Europawahlen. Es ist uns gelungen, auch durch eine gezielte Kampagne, hier entgegenzuarbeiten und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen: Es hat klar geurteilt, dass eine Prozenthürde bei Europawahlen verfassungswidrig ist, da es die vom Grundgesetz geschützte Chancengleichheit der Parteien verletzt. Unsere Kampagne war auch diesmal wieder erfolgreich. Bei der anstehenden EU-Wahl wird es deshalb keine Prozenthürde geben.
Alle Wahlumfragen lassen die Vermutung zu, dass rechtspopulistische Parteien deutlich gestärkt ins neue EU-Parlament einziehen werden. Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?
MR: Es herrscht in ganz Europa, wenn auch unterschiedlich intensiv, eine große Unzufriedenheit unter den Menschen. Dafür gibt es gute Gründe, etwa der Umgang der Politik mit der Covid-Pandemie, die Unsicherheiten von Kriegen wie etwa jener in der Ukraine und die anschließende Inflation. Hinzu kommen die Umweltzerstörungen, die Menschen dazu bewegen, nach Europa zu fliehen, der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit und die schleichende Deindustrialisierung, verbunden mit dem Verlust des Arbeitsplatzes.
Die Politik kommt damit nicht wirklich klar, findet nur unzureichende Lösungen. Besonders sichtbar war das in Deutschland mit den Protesten von Bäuerinnen und Bauern. Man kann das auch schlechte Regierungsführung nennen, und das führt zu Unzufriedenheit.
Was haben alle anderen Parteien falsch gemacht?
MR: Fehler sind vor allem in der Kommunikation gemacht worden. Zunächst müssen wir daher die Unzufriedenheit der Leute angehen. Die Ampel mit ihrer schlechten Regierungsführung trägt viel zu dieser bei.
Diese Menschen müssen wir wieder zufriedenstellen. Wenn den Menschen eine Belastung zugeführt wird (etwa beim Agrardiesel), dann muss gleichzeitig dargestellt werden, dass das auch finanziell abgefedert wird (etwa durch die Tierwohlumlage).
Jede und jeder muss von vornherein verstehen, warum eine bestimmte Belastung auferlegt wird und wie sie ausgeglichen wird. Die Kommunikation gerade dieser Ampel-Regierung ist in dieser Hinsicht katastrophal, was wir auch beim Heizungsgesetz gesehen haben. Das treibt die Unzufriedenheit massiv hoch und den Populisten die Wählerinnen und Wähler zu.
Auch müssen wir Bürgerinnen und Bürger mehr in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen. Das beste Mittel gegen Politikverdrossenheit und Populismus ist für mich die direkte Demokratie. Das funktioniert aber nur, wenn der Bürgerwille dann auch in konkrete Gesetze ungesetzt wird, wie z. B. beim Volksbegehren Artenvielfalt, das von der ÖDP Bayern initiiert wurde.
Welche Gefahren sehen Sie durch das Erstarken der rechtspopulistischen Parteien für den Arten- wie auch für den Verbraucherschutz?
MR: Man muss sich klarmachen, wofür die Rechtspopulisten stehen. Sie wollen die europäische Integration zurückdrehen, soziale Rechte beschneiden und die EU, wenn überhaupt, auf einen gemeinsamen Binnenmarkt reduzieren. Das führt alles zu politischem Bedeutungsverlust, ökologischen Dauerschäden und dem Verlust von Arbeitsplätzen.
Gerade im Bereich Natur- und Artenschutz haben die Rechtspopulisten alles verhindert, was es gebraucht hätte, um unsere Ökosysteme wieder herzustellen. Sie haben eine massive Kampagne gegen das Renaturierungsgesetz gefahren – sie haben das Gesetz zur Pestizidreduktion mitverhindert. Beim Bodengesetz haben sie mit daran gearbeitet, dass alle verbindlichen Maßnahmen, die nötig wären, um die Böden wieder in einen guten Zustand zu versetzen, gestrichen wurden. Auch im Bereich Landwirtschaft setzen sie sich nicht für eine bessere Verteilung der EU- Subventionen ein, um die bäuerliche Landwirtschaft zu erhalten.
Eine jüngst durchgeführte Analyse von fünf führenden Umweltorganisationen zeigt, dass gerade die Rechtspopulisten beim Schutz unserer Lebensgrundlagen in ihrem Abstimmungsverhalten sehr schlecht abschneiden. Die ÖDP hat bei allen Abstimmungen 100-prozentig im Sinne des Natur-, Umwelt- und Klimaschutzes abgestimmt und tritt damit konsequent für diese Themen ein.
Mindestens genauso gefährlich ist es aber auch, wenn die Christdemokraten in der Fraktion der EVP (mit CDU und CSU) teilweise die Narrative der Rechtspopulisten übernehmen und ebenfalls gegen den Naturschutz wettern. Deshalb müssen wir unbedingt verhindern, dass es im kommenden Parlament eine informelle Koalition aus EVP und Rechtspopulisten und -extremisten gibt, die die derzeitige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und auch der EVP-Fraktionschef Manfred Weber von der CSU skandalöserweise nicht ausschließen. Ein solches Bündnis wäre der Todesstoß für den „Green Deal“. Auch deshalb ist ein starkes ÖDP-Ergebnis mit dem Gewinn mehrerer Mandate so wichtig.
Als ein Alleinstellungsmerkmal der ÖDP seit Jahrzehnten gilt, dass diese Partei nur von natürlichen Personen Spenden annimmt. Wie wirkt sich das in Ihrer täglichen Arbeit als Mitglied des Europaparlaments aus?
MR: Insofern positiv, als dass ich bei meiner Arbeit immer wieder darauf verweisen und absolut unabhängige Politik machen kann. Das trifft auf viel positive Resonanz bei Besuchergruppen und beeindruckt manchen meiner Abgeordnetenkollegen.
Das Problem der Beeinflussung von Abgeordneten im Europaparlament geht aber weit über das Thema Parteispenden hinaus. Die Regeln gegen Korruption müssen deutlich verschärft werden, denn bislang können Konzerne oder auch autokratische Staaten viel zu einfach Einfluss nehmen. Das führt zu massiven Interessenkonflikten mit dem Mandat. So sitzt beispielsweise ein CSU-Europaabgeordneter in mehreren Beiräten von Banken und anderen Finanzunternehmen, verdient dort Geld und entscheidet im Parlament im zuständigen Ausschuss mit über die Finanzmarktregulierung. Dass so etwas legal möglich ist, ist einfach unfassbar.
Die EU hat einen Ruf als Friedensprojekt. In der Tat herrscht unter den 27 EU-Staaten Frieden. Weltweit dagegen hat die Zahl der Kriege und Konflikte, die mit Waffengewalt ausgetragen werden, nach dem Ende des kalten Kriegs zu- nicht abgenommen. Was kann und sollte die EU tun, um zu einer friedlicheren Welt beizutragen?
MR: Die weltweite Wahrung der Menschenrechte muss das oberste Ziel der Gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP) sein. Deshalb muss diese Politik
- vorrangig auf den Frieden,
- die Vorbeugung von Konflikten,
- die Suche nach friedlichen Lösungen in Konfliktsituationen und
- humanitäre Hilfe ausgerichtet sein.
Es darf keinen Militäreinsatz ohne Beschluss des UN-Sicherheitsrats geben, ausgenommen davon sind Einsätze im Rahmen des Rechts der kollektiven Selbstverteidigung.
Wie könnte und sollte die EU zur Beendigung des Ukraine-Kriegs beitragen?
MR: Die Sanktionen gegen Russland müssen vollumfänglich umgesetzt und die Lieferung fossiler Energien wirksam unterbunden werden. Beides ist derzeit nicht der Fall. Gleichzeitig brauchen wir diplomatische Gespräche und schließlich Verhandlungen, um diesen Krieg möglichst schnell zu beenden.
Solange Putin allerdings glaubt, den Krieg auf dem Schlachtfeld gewinnen zu können, wird er Verhandlungen ablehnen. Deshalb ist es wichtig, dass der Westen die Ukraine weiter unterstützt, damit sie sich verteidigen kann und sich nicht einem Diktatfrieden Russland beugen muss. Je schneller Putin begreift, dass er den Krieg nicht gewinnen kann, desto schneller ist er vorbei.
Laut EU-Vertrag haben sich die Mitgliedsstaaten zum gegenseitigen Beistand auch im Fall eines Angriffs verpflichtet. Wie stehen Sie zu einem denkbaren Beitritt ehemaliger Republiken der UdSSR, insbesondere der Ukraine?
MR: Mit Estland, Lettland und Litauen sind bereits drei ehemalige Sowjetrepubliken Mitglieder der Europäischen Union. Im Europäischen Parlament habe ich auch für Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine gestimmt. Allerdings wird ein EU-Beitritt erst möglich, wenn die Ukraine die Aufnahmekriterien erfüllt – also
- die Menschenrechte wahrt,
- institutionelle Stabilität garantiert,
- demokratisch und rechtsstaatlich organisiert ist und
- Minderheiten achtet und schützt.
Bevor wir neue Staaten aufnehmen, hat die EU jedoch noch viel Reformbedarf. Allein das Einstimmigkeitsprinzip muss als erstes abgeschafft werden, damit nicht ein einzelner Staat – wie es Ungarn gerade macht – die gesamte EU in Geiselhaft nehmen kann.
Wie beurteilen Sie Überlegungen, eine europäische Armee aufzustellen?
MR: In der Verteidigungsfähigkeit Europas braucht es auch mehr Unabhängigkeit von den USA durch eine gemeinsame Verteidigungspolitik und Abstimmung von Rüstungsprojekten innerhalb der EU. Dazu gehört auch eine europäische Armee.
Jedoch muss ganz klar sein, dass eine EU-Armee nur zur Selbstverteidigung eingesetzt werden darf. Die Möglichkeit, dass eine gemeinsame Armee in Krisengebiete geschickt wird, muss konsequent ausgeschlossen werden.
Wir wollen
- die Ausrichtung der GASP auf den Frieden,
- die Vorbeugung von Konflikten,
- die Suche nach friedlichen Lösungen in Konfliktsituationen und humanitäre Hilfe
- sowie die Beteiligung des EU-Parlaments an Entscheidungen zur Außen- und Verteidigungspolitik der EU, insbesondere das Recht, militärische Operationen zu stoppen.
Was würde sich für Sie und die Politik insgesamt ändern, wenn die ÖDP mit mehreren Abgeordneten ins EU-Parlament einzieht?
MR: Als einzelne EU-Abgeordnete hat man mehr Mitwirkungsrechte als dies im Bundestag oder einem Landtag der Fall ist, wie ich oben am Beispiel der Detergenzienverordnung dargestellt habe. Als Berichterstatterin ist man verantwortlich dafür, dass dieses Gesetz komplett durch das parlamentarische Verfahren geführt wird, man kann es somit sehr stark beeinflussen.
Wenn man mit mehreren Abgeordneten im EP ist, hat man noch mehr Möglichkeiten, ökologische Inhalte in Gesetze einzubringen. Das erfolgt allein dadurch, dass man in mehr Ausschüssen mitarbeiten kann – so kann man auch mehr Gesetzesarbeit machen.
Und das wird dringend nötig sein in der nächsten Legislaturperiode, nicht nur aufgrund des möglichen Rechtsrucks im Europäischen Parlament, sondern auch weil viel auf dem Spiel steht für den Natur-, Arten- und Umweltschutz. 80 Prozent unserer Habitate wie Wälder, Flüsse und Moore sind in einem schlechten Zustand. Wir brauchen konsequenten Umwelt- und Naturschutz, um unsere Ökosysteme wieder herzustellen und dafür braucht man so viele Kämpferinnen und Kämpfer der ÖDP wie möglich im nächsten Parlament!
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Ripa!