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Wohnungsnot nachhaltig lindern

Experten-Gespräch: ÖDP fordert wirksame Maßnahmen gegen die Wohnungsnot

Ein gesundes „Dach über dem Kopf“ ist ein Menschenrecht. In einem ÖDP-Expertengespräch zeigten Handwerksmeister Jens A. Geibel und Tobias Ruff, der ÖDP-Fraktionsvorsitzende in München, gemeinsam mit dem stellvertretenden ÖDP-Bundesvorsitzenden Helmut Scheel auf, wie sich die Wohnungsnot nachhaltig deutlich lindern lässt.

Das Versagen der Ampel-Regierung zeigt sich beim Wohnungsbau besonders deutlich: Deutschlandweit fehlen mindestens 700.000 günstige Wohnungen. Vor allem in Ballungszentren wird das Wohnen für immer breitere Bevölkerungsgruppen zunehmend unbezahlbar. Auf eine Sozialwohnung kommen mindestens zehn Berechtigte. Während noch in den 80er Jahren in der Bundesrepublik allein über 4 Millionen Sozialwohnungen existierten, ist der Bestand inzwischen in ganz Deutschland auf weniger als 1,2 Millionen zurückgegangen.

Versprochen hatte die Bundesregierung im Koalitionsvertrag, jährlich für den Neubau von mindestens 400.000 neuen Wohnungen zu sorgen. Darunter sollten mindestens 100.000 „Sozialwohnungen“ sein. Realisiert wurden im Jahr 2022 gerade mal 20.000, in 2023 weniger als 33.000 fertig gestellt. „Das zeigt, dass herzlich wenig unternommen wurde“, resümiert die ÖDP.

„Dieser Zustand ist unhaltbar, ein Skandal mit Ansage“, sagt dazu Helmut Scheel, der Stellvertretende Bundesvorsitzende der Naturschutzpartei ÖDP. Diese fordert mit einem 8-Punkte-Plan von der Politik auf allen Ebenen, für bessere Wohnverhältnisse zu sorgen:

  1. Verringerung des Siedlungsdrucks in Ballungszentren, etwa durch „Zonenrandförderung“ und gezielte Ansiedlung von Forschungs- und Bildungseinrichtungen in strukturschwachen Gebieten – ansatzweise in Bayern mit der Verlagerung von Einrichtungen bereits umgesetzt
  2. Kombi-Lösungen von Neubauten von Mehrfamilien-Häusern ab zehn Wohneinheiten: nur genehmigungsfähig, wenn Sozialwohnungen integriert
  3. Weniger kostentreibende Vorgaben (Verzicht auf z. B. 18 Steckdosen in der Küche), einfachere Genehmigungs-Verfahren
  4. Anreize schaffen für Eigentümer, vorhandenen Wohnraum auch zu vermieten, etwa ein Schutz vor Mietnomadentum (staatlicher Kostenersatz), Zweitwohnungssteuer
  5. Prozessoptimierung, serielles Bauen, Vorfertigung
  6. Bessere Nutzung vorhandenen Wohnraums, siehe Initiative: Wohnen für Hilfe, bei der Pro Quadratmeter zur Verfügung gestellten Wohnraum eine Stunde Hilfe im Haushalt geleistet wird.
  7. Quartierskonzepte fördern zur Kostenverringerung und besseren Energieeffizienz
  8. Stärkere Förderung eigenen Wohnraums für junge Familien

Im Vergleich zu anderen EU-Ländern hat Deutschland mit 45 Quadratmetern pro Einwohner mit die meiste Wohnfläche zur Verfügung – diese ist nur sehr ungleich verteilt. Zudem verfügen die Deutschen von allen EU-Ländern am seltensten über eigenen Wohnraum. „Wir haben daher kein Platz-, sehr wohl jedoch ein Verteilungsproblem bei Wohnraum“, sagt Scheel. Es müsse beunruhigen, dass die Bevölkerung in einigen Ballungszentren stark zunehme, viele Landstriche, vor allem in den neuen Bundesländern, geradezu ausbluten.

Der Verkauf von Sozialwohnungen, die in staatlicher Hand waren, wurden in den vergangenen Jahren „ohne zwingende Notwendigkeit an Investoren verkauft, teilweise geradezu verschleudert“, sagt Helmut Scheel. „Damit hat die Politik ihren Handlungsspielraum verspielt. Ein besonders schlimmes Beispiel ist der Verkauf von über 30.000 Sozialwohnungen durch den Freistaat Bayern vor einigen Jahren unter Finanzminister Söder.“

Bauen in Ballungszentren löst kein Problem

„Das Leben in Megastädten wie Paris oder London ist nicht besser oder billiger als in München“, betont Tobias Ruff, Fraktionsvorsitzender der ÖDP im Stadtrat von München. „Immer neue Stadtviertel aus dem Boden zu stampfen, beseitigt nicht das Problem, sondern zementiert nur die Ungleichheit – auf Kosten der Lebensqualität in Form von immer mehr zubetonierten Grünflächen.“

In München beispielsweise gebe es eine Manager-Schicht, die sich „alles leisten“ könne und Bedürftige, die vielleicht in Heimen unterkommen und dann, mit viel Glück, irgendwann eine Sozialwohnung erhalten könnten. Die Schicht dazwischen könne sich das Leben in der Metropole zunehmend weniger leisten, es komme zur Stadtflucht.

Alle Städte hätten zwei große Probleme: Mangel an günstigem Wohnraum und die Flächenversiegelung, die verheerend auf die Umwelt wirkt, z. B. die Artenvielfalt bedroht sowie das Stadtklima verschlechtert, und somit auch die Lebensqualität verringere.

Würde München seine letzten Reserven mobilisieren und auf der grünen Wiese Wohnblocks errichten, könnten darin „vielleicht 70.000 Menschen“ unterkommen – bei 400.000 Einpendlern letztlich keine echte Entlastung. „Bauen allein kann das andere große Problem nicht lösen, nur die Lebensqualität verringern.“

Jens Geibel, Tischlermeister/Holztechniker und tätig in der Bauberatung für Ökologie und Nachhaltigkeit, betont: „Die Kosten für den Wohnungsbau lassen sich bei gutem Willen drastisch verringern, wenn die Vorgaben deutlich angepasst werden. Warum muss jedes Bauwerk ab drei Stockwerken zwingend einen Fahrstuhl haben?“

Katastrophale Energie- und CO2-Bilanz

Geibel beunruhigt die extrem schlechte Energie- und Treibhausgas-Bilanz vieler „moderner“ Baustoffe: „Wir müssen komplett umdenken und die ökologischen Folgen berücksichtigen. Bei der Produktion vieler konventioneller Bau- und Dämmstoffe wird so viel Energie gebraucht und CO2 in die Luft geblasen, dass sich das nie und nimmer bei der Energieeinsparung rechnen kann.“ wird so viel Energie gebraucht und CO2 in die Luft geblasen, dass sich das nie und nimmer bei der Energieeinsparung rechnen kann.“

Daher sei das von Robert Habeck geplante Heizungsgesetz „ein Schnellschuss, um zu zeigen: Wir machen was“. Aus ökologischer Perspektive seien diese Pläne „eine Lachnummer“: Die Emissionen von Einfamilienhäusern seien nämlich „relativ gering“. Viel sinnvoller wäre es gewesen, ein Konzept zu entwickeln, das eher darauf baut, größere Gebäude wie Mehrfamilienhäuser mit Solarthermie auszustatten.

„Die Heizperiode dauert nur von Mitte Oktober bis April. Dagegen wird das ganze Jahr Warmwasser produziert und ständig aufbereitet. Dafür läuft der Brenner das ganze Jahr“, sagt der Handwerksmeister. „Solche Gebäude haben meistens große Dachflächen. Wenn das Wasser mit Solarthermie vorgewärmt wird, verbrauchen sie viel weniger.“

Die von der Bundesregierung stark präferierte Umrüstung auf Wärmepumpen sei vor allem „Lobbyismus für Hersteller von Wärmepumpen“, da es viel einfachere und effektivere Wege für die Energieeinsparung gebe. Vor allem sei die konsequente Umstellung auf nachwachsende Rohstoffe im Bau, insbesondere für die Wärmedämmung das Gebot der Stunde, beispielsweise seien Hanf oder Stroh zu bevorzugen.

Nachverdichtung – wenn, dann aber richtig

Die Höhenbegrenzung in den Bebauungsplänen sollten den neuen Herausforderungen angepasst werden. „Wir müssen konsequent den Bestand erhalten. Bei 60 Prozent der bestehenden Gebäude wären aufgrund der Statik ein bis zwei zusätzliche Stockwerke bei Holzbauweise möglich“, fordert Geibel.

Tobias Ruff ergänzt und betont, dass in Deutschland sehr viel auf kommunaler Ebene passieren kann – vorbildlich im EU-Vergleich: „Als Gemeinde hat man eine unglaubliche Freiheit zu planen. Die Kommunen sollten sie halt nutzen, das passiert allzu oft nicht. Sie müssten auf das Gemeinwohl achten und lassen sich dafür bequatschen von Großinvestoren.“

Daher erfolge auch das landschaftsfressende „Bauen auf der grünen Wiese“ eher als die Nutzung von Industriebrachen: Durch die Umwidmung von Ackerland sei die Gewinnspanne viel höher und das Kostenrisiko, etwa durch Altlasten, viel niedriger.

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