Drei Fragen an Dr. Andrea Brieger
„KI darf sich nicht verselbständigen“
1. Frau Dr. Brieger, Sie sind die Datenschutz-Expertin der ÖDP und arbeiten aktuell als Referatsleiterin für diesen Bereich für die gesetzliche Unfallversicherung. Warum ist der Schutz der persönlichen Daten so wichtig?
Dr. Andrea Brieger (AB): Datenschutz geht alle an. Es gibt kaum einen Lebensbereich, der nicht durch die Digitalisierung verändert wurde. Die Zeiten sind vorbei, in denen man den Schutz von Daten mit einem gut abschließbaren Schrank gewährleisten konnte. Heute geht es um Cyber-Sicherheit und darum, durch gute Gesetze und deren Anwendung die Persönlichkeitsrechte der Bürger zu schützen.
Nehmen wir als Beispiel die Nutzung von Messenger-Diensten: Die verschickte Nachricht an sich ist vielleicht gar nicht so interessant. Mancher Nutzer denkt sich „Ich hab doch nichts zu verbergen“. Aber wenn der Messenger-Dienst aus dem Standort, den Empfängern, den Kontakten und den verschickten Fotos Profile erstellt und Informationen zu familiärer, finanzieller, sozialer Situation und auch der politischen Meinung des Nutzers sammelt, wird das Ganze gefährlich.
Jeder Mensch hat ein Recht auf Privatsphäre, auch im Digitalen Raum. Als Nutzer möchte ich verstehen und auch kontrollieren können, wer mit meinen Daten was macht. Darum geht es beim Datenschutz. Und dieses Recht muss auch gegenüber großen Konzernen, die mit Big Data viel Geld erwirtschaften, durchgesetzt werden. Als ÖDP setzen wir uns für eine Digitalisierung ein, die dem Menschen dient, und nicht den wirtschaftlichen Interessen großer Konzerne.
2. Was müsste sich auf EU-Ebene im Bereich Datenschutz dringend ändern, wofür wollen Sie sich im Fall Ihrer Wahl ins EU-Parlament vor allem einsetzen?
AB: Ein Thema treibt mich wirklich um: Wir brauchen dringend klare Regeln für die Nutzung von KI. Digitalisierung und auch die Nutzung neuer Technologien ist an sich nicht schlecht, aber wir müssen sicherstellen, dass diese Technologien dem Menschen nützen und nicht zu seinem Schaden sind.
Vor kurzem wurde von ChatGPT-Erfinder Sam Altmann, Bill Gates und zahlreichen führenden Wissenschaftlern und Unternehmern der IT-Tech-Branche eine Erklärung veröffentlicht, die dringend davor warnt, die Gefahren für die Menschheit durch künstliche Intelligenz zu unterschätzen. Was wie ein schlechter Horrorfilm klingt, ist mittlerweile technologisch möglich: dass KI-basierte System sich verselbstständigen und zu einer Bedrohung für den Menschen werden.
Die KI-Verordnung (AI –Act), die vom europäischen Parlament beschlossen wurde, ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Europa ist damit der erste Wirtschaftsraum, der Regeln für die Nutzung von KI formuliert. Aber aus meiner Sicht ist dieses Gesetz noch zu unklar in seinen Anforderungen, zum Beispiel in Bezug auf Anonymisierung. Die Regeln müssen klarer werden und auf der Höhe der technologischen Entwicklung sein. Ganz wichtig ist auch, dass für die Kontrolle und Durchsetzung der Regeln mehr Kapazitäten vorgesehen werden. Sonst ist das beste Gesetz ein „zahnloser Tiger“.
3. Wie beurteilen Sie die elektronische Patientenakte?
AB: Die Elektronische Patientenakte (EPA) ist ein Beispiel für „Gut gemeint ist nicht gut gemacht“. Wenn man durch Digitalisierung Prozesse weniger bürokratisch und besser gestalten kann, dann ist das super. Das ist auch das Ziel der EPA.
Aber bislang hat das Konzept einige Schwachstellen im Datenschutz: Es sollen hochsensible gesundheitliche Informationen automatisch in die EPA eingelesen werden, die Patienten müssen aktiv widersprechen, um dies zu verhindern. Meiner Ansicht nach sollte solche Verarbeitung nur mit aktiver Einwilligung der Patienten erfolgen.
Hinzu kommt, dass Gesundheitsdaten in Zukunft auch für Forschungszwecke genutzt werden können. Hier fehlt bisher die nötige Transparenz für den Patienten: Wer macht was warum mit meinen Gesundheitsdaten? Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Ulrich Kelber, hat zu diesen Punkten schon mehrfach Verbesserungen angemahnt. Ich bin gespannt, ob sich bis zur Einführung 2025 noch etwas verändert.
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… finden Sie auf ihrer Webseite: www.andreabrieger.eu