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Lobbyismus verhindert gerechtes Steuersystem

Die Kündigung der Cum-Ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker wirft ein Schlaglicht auf einen seit Jahrzehnten währenden Skandal: Die deutsche Bundesregierung weigert sich, effektiv gegen Steuerhinterziehung und offene Steuerschlupflöcher vorzugehen. Die ÖDP fordert ein EU-Sofortprogramm.

  • Dreistellige Milliardenbeträge entgehen dem deutschen Staat durch Steuerhinterziehung und die legale Nutzung von Steuerschlupflöchern.
  • Statt bekannte und in anderen EU-Staaten wie Italien bewährte Maßnahmen zu ergreifen, bleibt auch die Ampelregierung im Wesentlichen untätig.
  • Die ÖDP schließt sich den Forderungen der Deutschen Steuer-Gewerkschaft an und fordert ein Sofortprogramm auf europäischer Ebene 

Der Cum-Ex-Skandal, in dem mit tatkräftiger Unterstützung diverser Banken reiche und mächtige Menschen den Staat um viele Steuermilliarden betrogen haben, gilt als größter Finanzskandal der Bundesrepublik. Allein in Nordrhein-Westfalen laufen gegen über 1.700 Personen Ermittlungsverfahren.

Ende April kündigte ausgerechnet die wichtigste Cum-Ex-Ermittlerin Anne Brorhilker an, die Justiz zu verlassen. In einem sehenswerten Interview mit der ARD erläuterte die Staatsanwältin ihren Schritt – und die Begründung ist mehr als eine Ohrfeige für das Versagen der deutschen Regierungen seit Jahrzehnten, effektiv gegen krumme Geschäfte der Finanzwirtschaft und einiger Superreicher vorzugehen. Anne Brorhilker beklagt fehlende staatliche Unterstützung, fordert Strukturen, die es dem Staat ermöglichen „auf Augenhöhe mit der Finanzwirtschaft“ zu handeln, klare und zentrale Zuständigkeiten sowie ausreichend Personal für die Justiz.

Vernichtende Kritik der Deutschen Steuer-Gewerkschaft

Genau diese Forderungen sind keineswegs neu und waren beispielsweise auch Teil des SPD-Wahlprogramms zur Bundestagswahl 2021. Passiert ist – nicht allzu viel. In ihrer Stellungnahme zum geplanten Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz übt etwa die Deutsche Steuer-Gewerkschaft (DSTG), die parteipolitisch unabhängige Interessenvertretung für das Personal der Finanzverwaltung der Bundesrepublik mit rund 79.000 Mitgliedern, vernichtende Kritik:

„Wir brauchen nicht noch eine zusätzliche Behörde, die einzeln vor sich hinarbeitet, sondern eine gute Vernetzung und einen guten globalen Austausch.“

Die DSTG fordert detailliert und konstruktiv Verbesserungen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung, beispielsweise eine Beweislastumkehr nach italienischem Vorbild, um die finanziellen Gewinne aus kriminellen Geschäften abschöpfen zu können.

ÖDP will sich für solide Staatsfinanzen und ein faires Steuersystem einsetzen

Die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP – die Naturschutzpartei) steht hinter der Forderung der DSTG und will sich im neuen EU-Parlament für solide Staatsfinanzen und ein faires Steuersystem einsetzen.

„Der eigentliche Skandal ist, dass eine mächtige Lobby seit Jahrzehnten verhindert, dass gigantischer Steuerbetrug und klaffende Schlupflöcher abgestellt werden“, sagt dazu der Europaparlament-Kandidat Jens A. Geibel. „Als kleiner Handwerksmeister zahle ich brav meine Steuern. Ich sehe es überhaupt nicht ein, dass es einigen Superreichen und Großkonzernen seit Jahrzehnten gelingt, ihre horrenden Gewinne weitestgehend ins Trockene zu bringen – weil sie über Lobbyismus und Steuersparmodelle eine effektive Besteuerung verhindern.“

Deshalb lehnt die ÖDP seit ihrer Gründung Firmenspenden konsequent ab und fordert in ihrem Wahlprogramm zum EU-Parlament unter anderem die Austrockung der innereuropäischen Steueroasen.