Wirkung von Mobilfunkstrahlung auf Nutztiere
Seit jeher sind Tiere zugleich Indikatoren eines Umweltzustands, der auch uns Menschen betrifft. Ihre Berücksichtigung bei der Untersuchung von Wirkungen der Mobilfunkstrahlung ist umso wichtiger, als das beliebte Argument, gesundheitliche Beschwerden seien die Folge von Einbildung und Angst, in ihrem Fall nicht greift. In dem Maße in dem Wirkungen(1) bekannt sind, ist auch das andere Standardargument der zuständigen Bundesbehörden hinfällig, dass gesicherte Erkenntnisse der Wirkung nicht vorlägen.
Die Probleme bei Rindern durch Mobilfunkstrahlung wurden schon früh festgestellt. Bereits 1998 erschien in der Zeitschrift „Der praktische Tierarzt“(2) ein Artikel , der unter anderen folgende Wirkungen eines nahen Funkmasts beschreibt:
• Es gab mehr verendete oder notgeschlachtete Kühe. Die Kühe verfielen meist nach der dritten oder vierten Abkalbung. Sie konnten kaum noch aufstehen. Die Untersuchung einer im Stall verendeten Kuh ergab, dass der Tod durch Herz-Kreislauf-Versagen mit Blutungen an mehreren inneren Organen verursacht worden war. Es gab keinen Hinweis auf entzündliche Organveränderungen.
• Starker Tränenfluss, ständig nasse Wangen, Bindehautentzündungen und Juckreiz traten bei den Tieren auf.
• Bis dahin noch nicht beschriebene Verhaltensveränderungen waren zu beobachten.
Als zwei Tiere in einen 20 Kilometer entfernten Stall in gleicher Aufstallungsform gebracht wurden, verschwanden nach etwa fünf Tagen alle Verhaltensauffälligkeiten. Sie traten nach ihrer Rückkehr wieder auf. Die Tiere suchten zum Fressen und Wiederkäuen Stellen mit niedrigerer Strahlung auf (private Mitteilung des Bauern).
Nachdem mehrere Landwirte von den oben beschriebenen Schadensfällen ebenfalls betroffen waren, wurde 1998 eine Studie über den Einfluss von Funkstrahlung auf Milchbetriebe in Auftrag gegeben, die zur Hälfte aus staatlichen Mitteln und zur anderen Hälfte von der Mobilfunkindustrie finanziert wurde. Das Ergebnis war, dass kein Zusammenhang zwischen der Funkstrahlung und den Verhaltensstörungen und Gesundheitsproblemen der Rinder festgestellt wurde.(3) Einer der beteiligten Forscher, Dr. Christoph Wenzel von der Universität München, protestierte dagegen in einer Sendung des Bayerischen Rundfunks. Die Höfe seien gezielt falsch ausgesucht worden, z.B. Höfe, bei denen der Sendemast erst kurz vor der Untersuchung aufgestellt wurde und Höfe, die durch Erdwälle von der Strahlung abgeschirmt waren. Im Endbericht seien Textpassagen mit kritischem Inhalt und Fotos von Missbildungen weggelassen worden. Der wichtigste Satz der Studie „Wegen dieser Ergebnisse besteht kein Anlass, bzgl. des Einflusses elektromagnetischer Felder Entwarnung zu geben“ wurde nicht publiziert.(4)
Offensichtlich werden also die wirtschaftlichen Einbußen der Bauern und das Tierwohl weniger ernst genommen als die Interessen der Mobilfunkindustrie. Die Bilanz eines Bauern, dessen Weidefläche sich 20 m neben einem Sender befindet, ist seit 11 Jahren: Über 25 verendete Kühe und über 75 tot geborene Kälber bei einem Kuhbestand von durchschnittlich 9 Kühen.(5)
Von Radarsoldaten weiß man, dass Funkstrahlung die Augenlinse trübt. 60 m von einem Bauernhof in der Schweiz entfernt stand ein Mobilfunkmast. Dort wurde etwa ein Drittel der Kälber blind geboren. Wenn aber während der Trächtigkeit der Funkturm abgeschaltet war, kamen alle Kälber mit gesunden Augen zur Welt.(6) Auch Hühnerembryonen wiesen Augenschäden auf, wenn sie während bis zu 15 Tagen 15 min, 2x täglich mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern bestrahlt wurden (1800 MHz)(7) und ebenso bei Dauerbestrahlung durch niederfrequente Felder.(8)
Außerdem gibt es in funkbelasteten Höfen deutlich mehr Totgeburten („Verwerfungen“) ohne erkennbare Ursache (auch „Verwerfenserreger“ konnten nicht gefunden werden), der Zyklus der Kühe bleibt häufig aus, und die Milchleistung ist deutlich verringert. Besorgniserregend sind auch die Missbildungen, die in dieser Form vorher nicht beobachtet wurden.
Ähnliche Beobachtungen macht man auch bei Schweinen.(9)
In einer wissenschaftlichen Dokumentation wurde ein Schweinemastbetrieb beschrieben, in dem die Daten von 20.359 Ferkeln vorlagen, die bei sehr geringer Funkbelastung (< 1 µW/m²) geboren worden waren. Dann wurde in 300 m Entfernung ein Funkmast für das D-Netz errichtet, der auf dem Hof durchschnittlich 600-700 µW/m² erzeugte, maximal 1200 µW/m² (Spitzenwerte). Im Beobachtungszeitraum wurden die Daten von 7.728 Ferkeln erfasst. Die Daten der unbelasteten wurden mit denen der belasteten verglichen. Die wichtigsten Änderungen nach Inbetriebnahme des Masts waren: Der Zyklus der Sauen war oft gestört, und die Befruchtungen waren öfter erfolglos – so sehr, dass der Hof in seiner bisherigen Form nicht mehr rentabel arbeitete. Außerdem gab es fast ein Prozent Missbildungen (im Kopf-, Bauch- und Beinbereich), die offensichtlich nicht alle auf Gendefekte der Ei- oder Samenzellen zurückzuführen sind, sondern erst während der Trächtigkeit bei den Zellteilungen entstanden sind.
Die meisten dieser Missbildungen waren in all den Jahren vor Sendebeginn unbekannt. Diese Beobachtung ist auch für Menschen wichtig: Embryonen sind besonders strahlenempfindlich.
In diesem Betrieb konnten andere Ursachen der Störungen wie mangelhafte Tierhaltung, Infektionen oder zusätzliche Umweltbelastungen amtstierärztlich ausgeschlossen werden.
Auch andere Nutztiere reagieren offensichtlich empfindlich auf nahe Sendeanlagen:
Eine Gänseherde in Goch (Niederrhein) zeigte nach der Aufstellung eines Sendemasts Symptome deutlicher Unruhe. Die Befruchtungsrate der Bruteier sank von 85 % auf unter 5%. Bei Gänseherden aber, die im Umkreis von 5 km vom Sendemast entfernt, sonst jedoch unter den gleichen Bedingungen gehalten wurden, blieb sie unverändert.(10)
Pferde, die in der Nähe einer Sendeanlage gehalten wurden, wiesen seit Inbetriebnahme des Sendemasts Fertilitätsprobleme und Störungen der Trächtigkeit auf. Tierärztliche Untersuchungen konnten weder bei den betroffenen Gänseherden noch den Pferden anderweitige Ursachen finden (ebd.).
Die Nutztiere „Hühner“ und ihre Eier werden oft wissenschaftlich als Modell für Fragestellungen zum Einfluss von elektromagnetischer Strahlung untersucht. Bei Eingabe des Suchbegriffs „Hühner“ erscheinen auf dem emf-Portal der RWTH Aachen 145 Studien, von denen die meisten deutliche bis hochsignifikante Einflüsse der elektromagnetischen Strahlung auf Hühner nachweisen(11) :
Neben den erwähnten Augenschäden litten Hühnerembryonen unter dem Einfluss von 50 Hz-Feldern auch an Hirn(12) - und Herzschädigungen(13) nicht nur auf morphologischer sondern auch auf zellulärer Ebene. Der Zellkern war der am stärksten beeinträchtigte Teil. Auf biochemischer Ebene waren durch den Einfluss der schwachen elektromagnetischen Felder die Schilddrüsenhormone Thyroxin und Trijodthyronin, die eine wichtige Rolle bei der Herzfrequenz spielen, und die Enzymaktivität der Indikatoren für einen beschädigten Herzmuskel signifikant im Blutplasma erhöht(14), bei einer Bestrahlung mit normaler Mobilfunkfrequenz von 1800 MHz nahm der Fett- und Glycogengehalt in der Leber der Embryonen signifikant ab(15).
Der Bruterfolg von Hühnern reduzierte sich bei 428 MHz Hochfrequenz-Befeldung auf eine Schlüpfrate von 38 % (Kontrollgruppe: 84 %)(16). Unter dem Einfluss eines GSM-Handys im D-Netz, das automatisch in 3-Minuten- Intervallen an- und ausgeschaltet wurde, war die Mortalitätsrate der Hühnerembryonen am 9.-12. Tag der Bebrütung signifikant erhöht(17).
Zum Einfluss von Mobilfunk auf Honigbienen verweisen wir auf die Präsentation von Dr. Niels Böhling auf der Homepage des BAK Mobilfunk der ÖDP.
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Aus dem skizzierten Stand der Forschung ergibt sich ein dringender Handlungsbedarf:
• Projekte unabhängiger Forschung, die auf breiter Grundlage der weiteren Abklärung der Risiken nachgehen, sind dringend erforderlich.
• Rechtlich verankerter Tierschutz muss auch hinsichtlich der Wirkungen elektromagnetischer Felder (EMF) umgesetzt werden.
• Zu klären ist, wer für Schäden haftet, die Landwirte mitunter bereits zur Aufgabe der Viehhaltung gezwungen haben.
Margot Ullmann und Professor Dr. Klaus Buchner, Oktober 2021
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Quellen:
1) Buchner, K., Krout, M. (2021): 5G-Wahn[sinn], Mankau Verlag 2021
Pall, M.L., Ullrich, V. (2021): Electromagnetic Fields and calcium signaling by voltage dependent anion channel. Open J Veterinary Medicine 11(1)
DOI:10.4236/ojvm.2021.111004
BERENIS Newsletter Sonderausgabe Januar 2021 https://scirp.org/journal/paperinformation.aspx?paperid=106911, aufgerufen am 5.10.2021
2) Löscher W. Und Käs G. (1998): Auffällige Verhaltensstörungen bei Rindern im Bereich von Sendeanlagen. Der praktische Tierarzt 79, 437-444. https://www.mobilfunk-debatte.de/pdf/recherche_aerzte/LoescherKaes.pdf, aufgerufen am 26.11.2020. nicht mehr auffindbar - neue Quelle: www.emfdata.org/de/dokumentationen/detail?id=142
3) Wuschek M. et al.: Endbericht über die Untersuchungen zum Einfluss elektromagnetischer Felder von Mobilfunkanlagen auf Gesundheit, Leistung und Verhalten von Rindern.
Bayerisches Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltschutz 2001. Diskussion dazu: Wolfgang Löscher (2003): Die Auswirkungen elektromagnetischer Felder von Mobilfunksendeanlagen auf Leistung, Gesundheit und Verhalten landwirtschaftlicher Nutztiere: Eine Bestandsaufnahme. Der praktische Tierarzt 84(11), 850-863
4) Nortrud Semmler: Krank durch Mobilfunk… Wissenschaftler warnen – Politiker beruhigen. Bayerischer Rundfunk „Das Notizbuch“ vom 11.1.2001 http://www.huegelland.net/mobilfunk.htm, aufgerufen am 5.10.2021
5) Zitiert nach: Zellen im Strahlenstress. Warum Mobilfunkstrahlung krank macht. Eckpunkte internationaler Mobilfunkforschung. https://swissharmony.de/wp-content/uploads/sites/4/2016/02/zellen_im_strahlenstress.pdf Autorenteam, Hrsg. Verein zum Schutz der Bevölkerung vor Elektrosmog e.V., Bismarckstr. 63, 70197 Stuttgart, https://www.der-mast-muss-weg.de, aufgerufen am 5.12.2020
6) Hässig M., Jud F., Spieß B. (2012): Vermehrtes Auftreten von nukleärem Katarakt beim Kalb nach Erstellung einer Mobilfunkbasisstation.
Schweizer Archiv für Tierheilkunde 154 (2), 82-86
7) Zareen N., Khan MY, Minhas LA (2009): „Störung bei der Retina-Differenzierung von Hühner-Embryonen, verursacht durch hochfrequente elektromagnetische Felder“. Congenit Anom (Kyoto) 49(1), 15-19
Al-Qdsi, F. & Azzouz, S. (2012): Effect of Electromagnetic Mobile Radiation on Chick Embryo Development. Life Science Journal 9(2)
8) Shams Lahijani M., Nojooshi S.E. & Siadat, S.F. (2007): Licht- und Elektronenmikroskop-Studien zu den Wirkungen von 50 Hz elektromagnetischen Feldern auf präinkubierte Hühner-Embryonen. Electromagn Biol Med 26(2): 83-98
9) Buchner K., Eger H., Hopper J. (2014): Reduzierte Fruchtbarkeit und vermehrte Missbildungen unter Mobilfunkstrahlung
Dokumentation aus einem landwirtschaftlichen Nutzbetrieb. Umwelt-Medizin-Gesellschaft 27 (3), 182-191.
https://www.diagnose-funk.org/themen/mobilfunk-versorgung/umwelt-landwirtschaft/fallbeispiele/mobilfunk-schaedigungen-in-schweinezucht , aufgerufen am 17.9.21
10) Warnke, U. (2009): Die Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf Tiere – ein Forschungsbericht der Kompetenzinitiative e.V. https://www.kompetenzinitiative.com/forschung/, aufgerufen am 3.12.2021
11) Faeghi, P., Rad, M.N., Pour, E. B. (2015): Electromagnetic Fields and its effect on Chicken Embryo. Biological Forum – An international Journal 7(1). 559-563 www.researchtrend.net,
ISSN No. 0975-1130
12) siehe Endnote 8
13) Shams Lahijani M., Tehrani D.M., Fereydouni N. (2013): Wirkungen von 50 Hz extrem niederfrequenten sinusartigen Magnetfeldern auf die Apoptose bei Herzen von präinkubierten Hühner-Embryonen bei verschiedenen Entwicklungsstadien. Int J Radiat Biol 89 (4), 234-242
14) Pawlak K., Sechman A., Nieckarz Z., Wojtysiak D. (2013): Wirkung eines schwachen
elektromagnetischen Felds auf die Herz-Tätigkeit, die Konzentration von Schilddrüsen-Hormonen und den Gehalt an Aminotransferase im Blut bei Hühner-Embryonen.
Acta Vet Hung 61 (3), 383-392
15) Pawlak K., Nieckarz Z., Sechman A., Wojtysiak D., Bojarski, B., Tombarkiewicz, B. (2018):
Effect of a 1800 MHz electromagnetic field emitted during embryogenesis on chick-development and hatchability
https:doi.org/10.1111/ahe.12346
16) Saito K., Suzuki, K., Motoyoshi S. (1991): Letale und teratogene Effekte einer Langzeitexposition durch 428 MHz Hochfrequenz-Befeldung mit niedriger Intensität auf die Entwicklung von Hühner-Embryonen. Teratology 43 (6), 609-614
17) Batellier, F., Couty, I, Picard, D., Brillard J.P. (2008): Effects of exposing chicken eggs to a cellphone in „call“ position over the entire incubation period. Theriogeneology (69), 737-745