Persönlicher Kommentar
Wohnst Du schon oder suchst Du noch? Mietpreiskrise in Deutschland
Ein Leben auf dem Campingplatz oder als voll Erwerbstätiger im WG-Zimmer? Das ist zunehmend Realität in Deutschland. Im letzten Jahr haben die Mieterhaushalte hierzulande durchschnittlich 27,8% ihres Einkommens für die Miete ausgegeben; 3,1 Mio. Haushalte lagen bei mindestens 40% und bei 1,5 Millionen Mieterhaushalten war es sogar mindestens die Hälfte ihres Einkommens, die auf die Mietkosten entfiel.* Besonders belastet waren dabei Einpersonenhaushalte, Haushalte in den Großstädten und Mieter, die nach 2019 eingezogen sind.
Die Konsequenz ist beispielsweise der aus den USA bekannte Trend zum Wohnwagen statt der Wohnung oder dass berufstätige Großstädter mittleren Alters in eine WG ziehen müssen. Und natürlich steigen auch die Abhängigkeit von Grundsicherung oder Sozialhilfe.
In Deutschland fehlen Millionen bezahlbare Wohnungen. Rund 8,6 Millionen Menschen lebten 2021 in überbelegten Wohnungen, darunter viele Alleinerziehende und Kinder. Laut einer aktuellen Studie können sich viele Menschen den Kauf einer Immobilie wegen der gestiegenen Zinsen nicht mehr leisten. Sie weichen deshalb auf Mietwohnungen aus. Das treibt die Mieten weiter nach oben – insbesondere in Großstädten wie Berlin, Hamburg, München und Köln.
Wo bleiben die 100.000 versprochenen Sozialwohnungen?
Ein zentrales Versprechen der aktuellen Bundesregierung war der jährliche Bau von 400.000 Wohnungen, davon 100.000 Sozialwohnungen. Bisher wurde das nicht eingehalten. Viele Bauvorhaben werden erst gar nicht begonnen, entweder aufgrund der gestiegenen Kosten oder wegen der zahlreichen Vorschriften und Regeln.
Neben dem fehlenden Neubau kommt erschwerend hinzu, dass bestehender Wohnraum abgerissen und dafür neue, teure Wohnungen errichtet werden. Ulrike Hamann, die Vorsitzende des Berliner Mietervereins nennt die bisherigen Versuche, die hohen Mietpreise zu regulieren, halbherzig. In Großstädten wie Berlin sei die Vernichtung von preiswertem Wohnraum weiter ein Problem.**
Politisches Versagen
Ein noch extremeres Bild zeigt München. In seiner Kolumne „Das Beste aus aller Welt“ kommentierte Axel Hacke „Ist es nicht übrigens seltsam, wie scharf der bayerische Ministerpräsident zurzeit das Heizungsgesetz kritisiert, das den Bürgern angeblich so maßlose Kosten aufbürdet, (…) während genau solche Bürger unter immer wieder neuen Mietsteigerungen ächzen, die ihnen die Wohnungsbaugesellschaft GBW*** aufbürdet? Diese Kosten hat niemand anders als die CSU zu verantworten, deren Regierung vor zehn Jahren 33.000 solcher Wohnungen an private Investoren verkaufen musste. Denn die Bayerische Landesbank hatte sich in der Finanzkrise verspekuliert…“ (SZ Magazin, Nr. 29)
Generell gilt: Bezahlbarer Wohnraum entsteht nicht durch einfache, singuläre Maßnahmen wie der Mietpreisbremse. Er ist Ergebnis einer umfassenden, nachhaltigen Planung und diese fordert die ÖDP ein. Das bedeutet unter anderem:
- Wohnungsbau kommt vor der Ausweisung neuer Gewerbegebiete
- Förderung der Entwicklung von urbanen Mischgebieten mit Kleingewerbe und Nahversorgung vor Ort
- Umwandlung von Industriebauten in Wohnraum
- Verzicht auf Parkplätze zugunsten von Wohnungen
- Erhebung des tatsächlichen Mietspiegels mit allen aktuellen Bestandsmieten und auf der Berechnungsbasis von vier Jahren
- Einführung eines Programms zur Förderung für soziale Vermietung
- Förderung von sozialen, örtlich verbundenen Vermietern
- Förderung von umweltfreundlichen Investitionen von Bestandsvermietern
- Förderung von bestehenden und neuen Wohngenossenschaften
- Sanierung vor Neubau
*https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2023/03/PD23_129_12_63.html
***GBW: Von der Gruppe, die heute Dawonia heißt, wurden 2013 33.000 Wohnungen an ein privates Konsortium verkauft, siehe Chronologie