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Persönlicher Kommentar

„Ungläubige“, „Volksverräter“, „Klassenfeinde“?

Was ist für die demokratische Umgangskultur unverzichtbar? Für mich gehört dazu, dass man seinen Standpunkt offen und mit entschiedener Deutlichkeit vertritt. Die Diskussion darf heftig sein. Es muss in der Demokratie nicht zugehen wie auf dem vielzitierten „Pony-Hof“. Dennoch müssen Grenzen bei der Wortwahl gelten – sonst verlieren wir einen Kern demokratischer Kultur.

Fürchterliche Begriffe sind immer öfter zu hören: In den Augen von Salafisten ist so einer wie ich ein „Ungläubiger“: Ich halte nämlich religiöse Offenbarungen nicht für buchstabengetreu den Menschen übergebene „Gottesworte“, sondern für äußerst wertvolle, von Menschen über Generationen weitergegebene, historisch gestaltete und insofern auch revidierbare religiöse Erfahrungen. In den Augen von Pegida bin ich ein „Volksverräter“, weil ich weder eine „Festung Europa“ noch eine „Festung Deutschland“ für ein sinnvolles Ziel halte. Mir fällt ein, dass ich vor 45 Jahren zu Zeiten der Studentenrevolte von „Spartakisten“ schon mal zum „Klassenfeind“ erklärt worden bin. „Klassenfeinde“, so hat man mir damals gesagt, würden nach der Revolution „ausgeschaltet“. „Volksverrätern“ und „Ungläubigen“ droht wohl ebenfalls die Eliminierung – falls man die Macht dazu hat. Schon oft in der Geschichte wurde der Massenmord durch Rufmord vorbereitet. Wir sollten auf die Sprache achten. Eine demokratische Streitkultur braucht Klarheit und Zurückhaltung.

Autor/in:
Bernhard G. Suttner
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