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Persönlicher Kommentar

Ungeeigneter Kronzeuge

Kurt Tucholsky wird derzeit wieder intensiv als Kronzeuge gebraucht: „Was darf Satire? Alles!“ Ich habe das Gefühl, dass sich der scharfsinnige Schriftsteller zu seinen Lebzeiten gar nicht vorstellen konnte, was später einmal alles als „politische Satire“ bezeichnet werden würde… Dass sich Tucholsky für rassistische Schmähung begeistert hätte, dass er für derartiges sogar das Grundrecht der Kunst- und Meinungsfreiheit reklamiert hätte, kann ich mir nur schwer vorstellen. Ganz sicher hätte sich Tucholsky mit einem gefährlichen Politiker wie Erdogan angelegt -  aber ziemlich sicher mit exzellenten Mitteln!

Eigentlich führen wir ja seit einiger Zeit eine sehr wichtige Debatte über die Verwilderung der Sprach- und Umgangssitten in der digitalen Kommunikationswelt. Bisher ist mir nicht bekannt geworden, dass die beobachtbaren Entgrenzungen, Niveauverluste und Aggressivitäten von irgendjemandem bejubelt worden wären. Wird sich auch diese Diskussion jetzt neu orientieren? Wird das, was bei einem Medienprofi als „genial“ gilt, bald von vielen anderen als „normal“ angesehen werden? Wird der Tritt gegen das Schienbein akzeptabel, wenn man vorher darauf hingewiesen hat, dass so etwas natürlich verboten ist?

Ich meine, dass ein gefährlicher Politiker mit anständigen Mitteln attackiert werden muss – eben weil er diese Mittel selber nicht schätzt.

Autor/in:
Bernhard G. Suttner
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