Persönlicher Kommentar
Recht auf Leben: Internationaler Tag gegen die Todesstrafe
In Deutschland scheint das Thema weit entfernt; Artikel 102 des Grundgesetzes lautet eindeutig: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ Doch zum heutigen Internationalen Tag gegen die Todesstrafe wollen wir doch auf einige Aspekte aufmerksam machen und diese zur Diskussion stellen.
Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gesteht jedem Menschen das Recht auf Leben zu und besagt: „Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden“ (Art. 5). Die Todesstrafe verletzt diese grundlegenden Menschenrechte. Dennoch ist sie völkerrechtlich nicht verboten. Ihre Abschaffung wird allerdings auf internationaler Ebene angestrebt – die UN-Generalversammlung hat seit 2007 bereits acht Resolutionen verabschiedet, in denen sie die Staaten, die die Todesstrafe noch verhängen, zur Aussetzung der Vollstreckung von Todesurteilen auffordert. Art. 6 des ICCPR (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte), der jedem Menschen ein Recht auf Leben garantiert, definiert Bedingungen (z.B. nur für schwerste Verbrechen, nach rechtskräftigem Urteil, Mindestalter 18 Jahre u. ä.) für die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe. Das Fakultativprotokoll zu ihrer Abschaffung haben bislang nur etwa die Hälfte der UN-Mitgliedsstaaten unterzeichnet, darunter alle Mitglieder der Europäischen Union.*
Laut Amnesty International ist die Zahl der Hinrichtungen von 2020 auf 2021 weltweit um etwa 20% gestiegen. Vor allem im Iran wurden mehr Todesstrafen vollstreckt. Die Zahl der erfassten Todesurteile wuchs im Vergleich zum Vorjahr sogar um fast 40 Prozent auf mindestens 2052 Fälle in 56 Ländern.**
Neben dem Iran sind es China, Ägypten, Saudi-Arabien und Syrien, in denen die meisten (bekannten) Hinrichtungen erfolgten.
Aber auch in Katar, wo im Winter die Fußballweltmeisterschaft ausgetragen wird, gibt es noch die Todesstrafe, auch wenn sie im Jahr 2021 nicht vollstreckt wurde. Die LGBTQ-Gemeinschaft hat mehrfach darauf hingewiesen, dass nach der Scharia auch für homosexuelle Handlungen in Katar eine Hinrichtung drohen kann.***
Generell kann man in Frage stellen, inwieweit wir mit Ländern enge diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen aufrecht erhalten wollen (oder dort eine Fußballweltmeisterschaft durchführen), in denen der Staat Menschen töten darf.
Dabei darf man nicht vergessen, dass einige Bundesstaaten der USA am Glauben festhalten, die Todesstrafe habe eine besondere Abschreckungswirkung. Diese Annahme ist vielfach untersucht und häufig empirisch widerlegt worden. Es gibt zwar Studien, die eine abschreckende Wirkung der Todesstrafe vermuten; Kriminologen, Psychologen und Soziologen bezweifeln allerdings, dass sich Mörder überhaupt von ihrer Tat abhalten lassen – egal wie hart oder brutal die Strafe sein mag.**** Und gerade die Praxis in den USA zeigt, dass Justizirrtümer, menschenverachtende Bedingungen der Unterbringung oder grausame Vorkommnisse bei der Hinrichtung selbst in einem demokratischen Rechtsstaat nicht ausgeschlossen werden können.
Alles zum Thema Todesstrafe in den USA findet ihr unter: https://amnesty-todesstrafe.de/wp-content/uploads/325/reader_todesstrafe-in-den-usa.pdf
Und um die zu Beginn aufgestellte Behauptung, in Deutschland sei das Thema weit entfernt, zu relativieren: Im Bundesland Hessen stand bis zur Verfassungsreform 2018 die Todesstrafe noch in der Verfassung…
*https://menschenrechte-durchsetzen.dgvn.de/menschenrechte/politische-buergerliche-rechte/