Persönlicher Kommentar
Pfingstbotschaft: Reden wir – aber bitte "gewaltfrei"
Die Botschaft des Pfingstfests ist 2.000 Jahre alt und trotzdem noch aktuell wie wenige andere. Nur offenes und wertschätzendes Sprechen miteinander kann uns die Wege aus Konfliktzonen weisen. Das gilt auch für die Kommunikation in einer Partei.
Als „Fest der Kommunikation“ feiern manche Sprachwissenschaftler, vor allem jedoch Theologen unterschiedlichster Konfessionen den nach Weihnacht und Ostern dritthöchsten Feiertag der Christen. Pfingsten beendete die Strafe Gottes – zumindest beschreibt dies der Evangelist Lukas in seiner Apostelgeschichte des Neuen Testaments. Diese Strafe verhängte Gott in seiner Verärgerung nach dem Sündenfall des Turmbaus zu Babel über die sich allzu selbstherrlich gebärdende Menschheit. Das Sprachgewirr, das seither die bis dahin einige Menschheit in verschiedene Gruppen trennt, erschwert eine Verständigung unter uns Menschen. Nur zu oft lässt es Zwist und Zank in Streit ausarten, der nicht selten in Feindseligkeit mündet und bis heute vielerorts Menschen entzweit statt sie zu versöhnen. Aktuelle Beispiele auf dem gesamten Globus zeigen von der Ukraine über den Sudan und Myanmar bis zu manchem Wahlkampf oder der Auseinandersetzung um den richtigen Weg, die Klimakrise abzubremsen, dass überall, wo Sprachlosigkeit herrscht, die Welt im Argen liegt.
Deshalb hält das biblische Pfingstgeschehen bis heute für alle eine – wie ich denke: wichtige – Botschaft bereit. Gerade für uns, die wir uns in der Politik engagieren und damit zeigen, dass wir uns (um andere) kümmern (wollen), steht sie nun im Pflichtenbuch: Wie die Jünger Jesu fordert Pfingsten auch uns alle auf, offen und verständnisvoll auf andere zuzugehen und mit ihnen zu reden. Es mahnt uns, das eigene Ego nicht immer zu betonen und sich an eine geregelte Debattenkultur zu erinnern, wie sie etwa die Scholastiker im Mittelalter kultivierten: Die schätzen “Gegner“ im Disput als Menschen und nehmen ihre Argumente ernst. Sie würdigen Kontrahent und Gegenargument und buhlen mit Worten um Wahrheit, bis zur Verständigung.
Das kann Konflikte entschärfen. Es kann und sollte Lösungen für Unstimmigkeiten offenbaren und Wege weisen, wie wir zusammen die Welt verbessern.
Weniger Ego, dafür mehr „gewaltfreie Kommunikation“
Zugegeben, auch dieser Pfingstauftrag ist natürlich nicht ohne Makel. In den zurückliegenden Jahrhunderten interpretierten ihn Menschen nur allzu oft falsch und missbrauchten seine Aufforderung zur Verständigung eher zur Durchsetzung eigener Machtinteressen. Missionieren – wie es der ursprüngliche Pfingstgedanke anregt – aber darf nicht in Gewaltexzesse münden, sonst beschert der göttliche Gedanke, wie dies vielfach und weltweit geschah, Menschen Leid statt der frohen Botschaft. Pfingsten mahnt vielmehr eine andere Art der Kommunikation an: Orientieren wir uns daher an den Prinzipien der von Marshall Rosenberg entwickelten „gewaltfreien Kommunikation“. Sie erfordert Empathie. Sie plädiert für den wertschätzenden Umgang miteinander.
Das käme mancher Debatte zugute – auch und gerade in einer Partei. Es würde Konfrontationen mildern, im Idealfall verhindern. Gespräche könnten sich auf sachlich-fachliche Grundlagen stützen, anstatt sich – wie leider oft in der Anonymität mancher Online-Debatte – in persönlicher Anfeindung zu verstricken. Rechthaberei aber zeugt nicht von menschlicher Größe. Eine solche, von Machtanspruch und Kompromisslosigkeit geprägte Diskussionskultur führt nur zu Frustration und zur Abkehr vom ursprünglich engagierten Impetus. Ein wertschätzender Disput dagegen kann und soll Lösungen aufzeigen.
Die brauchen wir alle mehr denn je.