Persönlicher Kommentar
Landwirtschaft in der (Klima-)Krise: So muss die Agrarwende aussehen!
Agrarwende - ein bisschen mehr Bio und schon ist alles gegessen? Mitnichten. Das Bündnis "Wir haben es satt" geht jeden Januar in Berlin auf die Straße, seit Jahren fordern sie ein politisches Umdenken in der Agrarpolitik, mit so namhaften Trägern wie der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V., Greenpeace, Brot für die Welt und der Deutschen Umwelthilfe.
Problemfall Landwirtschaft
In der Landwirtschaft nämlich läuft einiges schief. So leidet sie etwa massiv unter den unmittelbaren wie mittelbaren Folgen der Klimakrise: Dürresommer haben in den letzten Jahren zu schwerwiegenden Ausfällen bei den Ernteerträgen geführt. Ebenso aber auch regional massiv angestiegene Niederschläge oder Spätfrost, der Pflanzen zerstört, die früh ausgetrieben haben. [1] EU-weit verursachen Extremwetterereignisse geschätzte 9 Mrd. € Schaden pro Jahr, davon entfällt mehr als die Hälfte auf die Landwirtschaft - durch die Klimakrise wird diese Zahl wohl noch enorm steigen. [2]
Zudem leiden Landwirtinnen und Landwirte aber besonders unter dem momentanen Wirtschaftssystem, das kleinbäuerlichen Betrieben das Leben schwer macht und konventionelle Großbetriebe bevorzugt. Kern der Probleme: Staatliche Subventionen, die immer noch primär von der landwirtschaftlich genutzten Fläche abhängen und nicht von gesunden Anbaumethoden, artgerechter Tierhaltung und klimaverträglichem Ressourceneinsatz. Dazu kommt noch der massive Preisdruck: Bauern bekommen viel zu wenig Geld für ihre wertvolle Arbeit. Beispiel Milch: Hier diktieren Großabnehmer mit Monopolstellung wie die Supermarktkette Aldi die Einkaufspreise ganzer Landstriche. Die liegen nach Angaben der Landwirte oft unter den Kosten für die Produktion. Das Höfesterben hängt unmittelbar mit diesem Preiskampf zusammen. Dass Getreide, Kartoffeln, Mais und viele andere landwirtschaftliche Produkte an internationalen Börsen gehandelt werden, erhöht den Preisdruck noch zusätzlich. [6]
Endlich muss im Preis auch mitberechnet werden, welche Folgen die Produktion von Nahrungsmitteln für die Umwelt hat, um nachhaltigen Anbau zu fördern. Denn gleichzeitig leidet auch unsere gesamte Klimabilanz unter der Landwirtschaft, wie sie heute stattfindet: Ca. 9% aller Treibhausgasemissionen in Deutschland kommen aus der Agrarwirtschaft, das ist immerhin fast ein Zehntel [2].
Exkurs: Zahlen auf den Tisch - wie schädigt die Landwirtschaft das Klima?
Kohlenstoffdioxid (CO2), das wohl bekannteste Treibhausgas, hat nur einen geringen Anteil an den Treibhausgasemissionen des Landwirtschaftssektors. Schwerwiegender sind die Emissionen von Methan (CH4) und Lachgas (N2O), die gemeinsam über 90 % ausmachen. [3] 63 % der gesamten Methan-Emissionen Deutschlands und 81% der Lachgas-Emissionen stammen aus der Landwirtschaft [3] - wobei Methan beispielsweise ein wesentlich klimaschädlicheres Treibhausgas ist als CO2 [4]. Die Gase entstehen z.B. bei den Verdauungsprozessen von Nutztieren, beim Düngen, der Bodenbewirtschaftung und im Zusammenhang mit Biogasanlagen. [3, 4]
Neben der Emission von Treibhausgasen werden in der Landwirtschaft auch CO2-Senken beeinträchtigt: Ein großer Faktor ist z.B. die landwirtschaftliche Nutzung von Flächen, für die Moore trockengelegt wurden. Moore gelten als wichtige CO2-Speicher - bei Trockenlegung können sie diese Aufgabe nicht mehr erfüllen. Daneben ist die großangelegte Nutztierhaltung global betrachtet auch deshalb ein Problem, weil für das Tierfutter nach wie vor u.a. großflächig Regenwälder abgeholzt werden, die dann ebenso als CO2-Senken wegfallen. [1]
Die Lösung: Agrarwende!
Es wird deutlich: Das ganze System muss sich ändern. Für die landwirtschaftlichen Betriebe und die Menschen, deren Existenzen daran hängen, aber auch für das Klima, denn davon hängen wir letztendlich alle ab - weltweit.
Die Politik hat ein wichtiges Gestaltungsinstrument in der Hand: Agrarförderungen müssen z.B. nach ökologischen, Tierschutz- und Gemeinwohlkriterien vergeben werden, nicht nur nach Fläche, wie bisher. So wird Bio-Landwirtschaft gefördert und auch kleinbäuerliche Betriebe haben eine Chance auf höhere Subventionen, auch wenn sie weniger Fläche bewirtschaften als Großbetriebe, und können so im Konkurrenzkampf auf dem Markt besser bestehen. Das wäre auch eine wirksame Maßnahme gegen das jahrzehntelange Höfesterben, das immer mehr Existenzen zerstört. In Europa wird alle 5 Minuten ein Bauernhof aufgegeben, vor allem kleine. [5] Der Humusaufbau auf landwirtschaftlichen Flächen muss ebenso gefördert werden, denn auch Humus bindet CO2.
Spannend ist die Beobachtung, dass viele Lösungsansätze nicht nur ein Problem beheben, sondern mehrere: Eine Verringerung der Nutztierhaltung beispielsweise kann dem Tierwohl zuträglich sein und gleichzeitig die Methanemissionen dieses Wirtschaftssektors senken. Humusaufbau zieht nicht nur CO2 aus der Atmosphäre, sondern macht die Böden auch fruchtbarer. Wo Regenwald abgeholzt wird, um Soja für die Fleischproduktion der Industrieländer anzubauen, kann bei weniger Fleischkonsum im globalen Norden wieder Fläche für die regionale Bevölkerung im globalen Süden genutzt oder sogar Wald renaturiert werden. Das könnte auch weitere Brandrodungen verhindern.
Kurz:
Die Agrarwende kann ein Win-Win für alle sein. Die Landwirtschaft kann und muss einen entscheidenden Beitrag leisten, um den Klimawandel zu bremsen: Sie muss zu einer „regenerativen Landwirtschaft“ umgebaut werden - dazu braucht es politische Weichenstellungen. Wir sind gespannt, wie Cem Özdemir als neuer Landwirtschaftsminister dieses Thema angeht, und bleiben dran.
Mehr zum ÖDP-Konzept Agrarwende hier.
Quellen:
[1] https://www.greenpeace.de/biodiversitaet/landwirtschaft/anbau/landwirtschaft-klima
[2] https://www.bpb.de/gesellschaft/umwelt/landwirtschaft/343030/klima-und-landwirtschaft
[4] Je nach Studie ist Methan ca. 25 mal klimaschädlicher als CO2, Lachgas sogar 300 mal. https://www.umweltbundesamt.de/themen/boden-landwirtschaft/umweltbelastungen-der-landwirtschaft/lachgas-methan
[5] https://georgeckcom.files.wordpress.com/2018/06/folie_4impuls_b-short2018_ggc2030.pdf
[6] https://www.deutsche-tier-lobby.de/lebensmittelbepreisung/