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Persönlicher Kommentar

Debattenkultur: Protest allein reicht nicht!

Bauern legen das Land lahm. Sie, wie auch die Lokführer, handeln aber im Eigeninteresse. Das unterscheidet ihre Machtdemonstration von Aktionen der Klimaschützer. Die kämpfen für alle.

Die Sitten verrohen in unserem Land: Bauern und Spediteure blockieren Innenstädte, Lokführer legen wiederholt die Bahn lahm. Und die Bundesregierung erscheint kopflos. Sie wird von der aufgepeitschten Stimmung der Straße vor sich hergetrieben, beschließt Regelungen, die sie sogleich wieder kassiert. Kommunikation zwischen Kontrahenten scheint unmöglich, weil alle Seiten auf Maximalforderungen pochen.

Debattenkultur Fehlanzeige. Es herrscht das Gesetz des Stärkeren: Wer am lautesten brüllt und seine Muskeln am deutlichsten spielen lässt, geht als Sieger vom Platz.

Arme Demokratie. Dies Verhalten hat so gar nichts mehr mit den fast 80 Jahre lang eingeübten Formen der Kompromissfindung zu tun, die uns ein friedliches Zusammenleben trotz immer wieder auftauchender inhaltlicher Differenzen ermöglichte. Das ist deshalb so dramatisch, weil die vergangenen Jahrzehnte des Miteinanders selbst in Krisenzeiten, die es immer auch gab, doch stets vom Grundkonsens geprägt blieben, dass wir bei allen Differenzen in einem übereinstimmen: unserer demokratischen Kultur, die wir nach 1945 von den einstigen Gegnern übernommen, gelernt und verinnerlicht haben.

Protest ist nicht gleich Protest

Demokratische Lösungsfindung gehört dazu. Sie sichert gesellschaftlichen Ausgleich. Beides funktionierte, weil wir in Deutschland den „Rahmen wie die Spielregeln der repräsentativ-gewaltenteiligen Demokratie und ihrer Mehrheitsentscheidungen akzeptiert“ haben. So beschreibt es am Beispiel der aktuellen Bauernproteste Felix Ekardt als Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig sowie Professor an der Universität Rostock in einem Gastartikel für Zeit-Online. Er verweist jedoch auf einen gravierenden Unterschied bei Protesten, wenn wir die Bauernblockaden in der öffentlichen Bewertung als überwiegend legitim, die Behinderungen von Klimaschützern und Klimaklebern jedoch als Zumutung und Grenzüberschreitung wahrnehmen. „Während es den Bauern zumindest zu einem wesentlichen Teil um ihre Einkommensinteressen geht, setzen sich Klimaaktivisten für ein altruistisches Anliegen ein: für einen besseren Klimaschutz, wie er von den Grundrechten nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sowie vom Pariser 1,5-Grad-Ziel gerade gefordert wird.“

In dieser Unterscheidung steckt ein Auftrag für uns – gerade als politisch aktive und interessierte Menschen. Wir sollten mit unseren Entscheidungen nicht nur den nötigen Rahmen setzen, innerhalb dessen wir unserer Gesellschaft die Entwicklungsrichtung weisen. Wir müssen auch bei der Beurteilung von Protesten bedenken, welches Ziel diese verfolgen. Wenn nämlich Bauern, Spediteure und Handwerker zu Blockaden aufrufen, weil ihnen die neuen Regeln der Regierung zuwider laufen, müssen wir sie mahnend erinnern, dass diese Regeln die – allzu lange verschleppte – Transformation in eine post-fossile Wirtschaft zum Ziel haben; ganz im Sinne des Klimaschutzes!

Bauern bei der Umstellung unterstützen

Der Weg zum Ziel birgt natürlich mitunter Probleme. Die müssen die Bauern mittragen – und auch wir als Konsumentinnen und Konsumenten ihrer Produkte. Wir können ihnen die Umstellung auf eine klimafreundliche Produktionsweise erleichtern, wenn wir bereit sind, den Preis dafür aufzubringen.

Diesen Weg nicht einzuschlagen, würde uns ins Abseits einer noch wärmeren Welt führen. Deshalb ist nicht das Bekämpfen der Auflagen für die Bauern die richtige Entscheidung. Auch nicht, dass die Regierung einknickt. Allenfalls eine bessere Abfederung übermäßiger Lasten sollten die Streithähne aushandeln – aber bitte mit den Mitteln des demokratischen Diskurses.

Denn am Ziel müssen wir im Interesse aller festhalten. Und alle bereit sein, die Lasten gemeinsam zu schultern.

Autor/in:
Gerd Pfitzenmaier
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