Persönlicher Kommentar
Bittere Tage
Die letzte Januarwoche ist seit einigen Jahren dem Gedenken an die Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau gewidmet. Es sind bittere Tage. Die erdrückende Last deutscher Geschichte bleibt, auch wenn die Täter und die Anstifter größtenteils nicht mehr leben. Die „Herrenrasse“ hat Deutsch gesprochen. Sie wuchs in deutscher Tradition und Kultur auf. Sie hörte Beethoven, Mozart und Bach. Sie machte sadistische Experimente mit Kindern. Sie schickte Menschen ins Gas. Sie hat eine Vernichtungsindustrie in den Lagern und einen Vernichtungskrieg im Osten geplant und betrieben.
Dankbar kann man sich daran erinnern, dass auch die (wenigen) Menschen des Widerstands mit uns Sprache und Kultur teilen. Hätte es sie nicht gegeben, wäre das Erinnern noch weit schmerzhafter und hoffnungslos.
Für mich ist wichtig zu erkennen, dass jeder einzelne sich nicht darauf verlassen kann, als „normaler“ Mensch vermutlich schon „irgendwie richtig“ zu leben. Für jeden und jede von uns kommen immer wieder Entscheidungssituationen, in denen gefragt werden muss: Kann ich da mitmachen? Muss ich widerstehen? Reicht mein bisheriges Engagement aus oder muss es intensiviert werden? Das einfache Mitschwimmen im „Mainstream“ (wie man heute sagt) ist unverantwortlich. Die „ganz normale“ Hauptströmung einer Zeit – das zeigt unsere Geschichte – kann eine fürchterliche, ja eine verbrecherische sein.